Bericht 44Cup Baiona und Marstrand 2024

Das Wetter macht das Rennen
Wie so viele Bereiche unseres Alltags ist auch Segeln den Launen der Natur ausgesetzt. Entsprechend mag es kaum überraschen, dass nach den allseits bekannten Wetterkapriolen der vergangenen Monate auch Black Star Sailing dazu einiges zu berichten hat.
Nach einem ausgesprochen windigen Saisonauftakt mit anspruchsvollen Bedingungen auf Lanzarote hofften alle Teams auf bessere Voraussetzungen bei den kommenden Events.
44Cup Biona
8. – 12. Mai 2024, Baiona, Spanien
Baiona liegt in Galicien, im Norden von Spanien gleich oberhalb von Portugal. Entgegen unseren Erwartungen empfing uns in Baiona keineswegs Bilderbuchwetter. Schnell durften wir am eigenen Leib erfahren, warum diese schöne Gegend, verglichen mit anderen Teilen Spaniens oder mit Portugal, so wunderbar grün ist. Beim Aufbauen unserer RC44 Yacht regnete es wie aus Eimern, und es war darüber hinaus auch noch kalt. Unter so extremen Bedingungen ist es für ein Shore-Team immer eine Herausforderung, die Motivation aufrecht zu halten. Dennoch war die Yacht zum geplanten Zeitpunkt in top Zustand im Wasser. Wir ziehen den Hut und sagen Danke unserem Team an Land!
Pünktlich zum Start der Regattawoche wechselte dann aber das Wetter. Es wurde sonnig, doch die Prognosen versprachen mit dem genauen Gegenteil zu Lanzarote eher schwachen Wind, und damit natürlich weniger Spektakel.
Während wir in der gut geschützten Bucht von Baiona die Trainings starten konnten, fanden dann die Wettfahrten in der offeneren Bucht von Vigo vor der Illa de San Martino statt.
Mit sehr guten Resultaten starteten wir am Practice Race Tag in den 44Cup Baiona. Das liess uns hoffen. Doch sämtliche Teams zogen sogleich auch die Schrauben nach…
Wie dicht das Feld segeln kann und wie hoch das Niveau im Linup ist, mussten wir dann gleich am eigentlichen Eröffnungstag erfahren: Im ersten Wettlauf schafften wir es gerade mal im Mittelfeld über die Ziellinie, und wurden im zweiten Lauf dann sogar letzte.
Dass beim Regattasport auf diesem Niveau alles möglich ist, zeigte sich daraufhin aber, als wir im dritten und letzten Rennen des ersten Wettkampftages auf den ersten Platz segelten! Dies bescherte uns nicht nur einen Abend auf der Sonnenseite des Regattaalltags, sondern auch eine schöne Schlagzeile im 44Cup-Blog.
Eine unserer Stärken als Team scheint zu sein, dass wir es tatsächlich schaffen, uns während eines Wettkampfes zu steigern. Glücklich machte uns nämlich, dass wir im Verlauf des Events den Laufsieg des Eröffnungstages bestätigen konnten. Dabei konnten wir beweisen, dass wir uns von ganz hinten nach ganz vorne kämpfen können, und das nicht bloss bei Leichtwindbedingungen. Unsere positive Formkurve konnten wir auch beibehalten, als die Bedingungen in den verbleibenden drei Wettkampftagen zusehends windiger und damit anspruchsvoller wurden.
44Cup Marstrand
19. – 23. Juni 2024, Marstrand, Schweden
Vom Wind, in den Regen, in die Traufe – so könnte man Marstrand vorwegnehmen.
Mit dem dritten Platz am 44Cup Baiona in der Tasche und einem überaus optimistischen Gefühl im Bauch trafen wir in Schweden ein, und wurden sogleich mit einem herben Rückschlag schon fast wortwörtlich auf den Boden der Realität zurückgeholt.
Dass Schweden im Juni nass und kalt sein kann, wussten wir von den Vorjahren. Dementsprechend waren die Hoffnungen auf Sonnenschein und etwas Wärme eher klein. Hochmotiviert machte sich das Team in Marstrand daran, das Beste aus der Witterung zu machen – vor allem aber unsere Resultate von Baiona zu bestätigen. Etwas früher als normal waren das Trimmer Team zusammen mit dem Segelmacher bereits an der Arbeit: Aufgrund spezifischer Erkenntnisse aus Baiona und auch Lanzarote haben wir entschieden, am Grosssegel kleine Modifikationen vorzunehmen. Natürlich waren dies Änderungen innerhalb der Vorschriften des Klassenreglements.
Von 100 auf 0 in einer Sekunde!
Wie im Reglement ebenfalls vorgegeben, machten wir uns am Dienstagmorgen zum Training auf. Bestens vorbereitet und durchgetaktet war unser erstes Ziel, das geänderten Rennsegel zu testen, um zu analysieren, wie der «Re-Cut» sich auf die Bootsgeschwindigkeit und den Segeltrimm auswirkt.
Nach rund zwei Stunden hatten wir die Bestätigung, dass wir mit dem geänderten Grosssegel alles richtig gemacht hatten. Frohen Mutes kehrten in die flache Bucht direkt vor Marstrand zurück, da für den Austausch des Rennsegels durch das Trainingsegels «draussen» der Seegang zu heftig war. Beim Manöver, das für das Bergen des Grosssegels gefahren wird, passierte das Unglaubliche: Mit ordentlich Tempo und einem mächtigen Rumms fuhren wir gegen einen nicht markierten Felsen. Die Segler an Deck fielen durch den heftigen Aufprall durcheinander oder prallten gar in den Masten. Bedauerlicherweise verletzte sich unser Grinder, der unter Deck den Motor in Betrieb nehmen wollte, so sehr, dass er im Krankenhaus versorgt werden musste.
Zum Glück blieb der Rumpf der Yacht unversehrt. Wir fuhren in den Hafen zurück und konnten dort sogleich auswassern. Als das Boot aus dem Wasser kam, waren schwere Beschädigungen an Kiel und der Kielbombe deutlich ersichtlich.
Von 0 auf 100 in 36 Stunden!
Die RC44-Klasse führt immer einen zusätzlichen Container mit zu den Events, der Ersatzmaterial unterschiedlichster Art bereithält, darunter auch ein Ersatzkiel. Doch zunächst musste der beschädigte Kiel entfernt und zerlegt werden, bevor der neue Kiel angepasst und montiert werden konnte. Als unerwartet grosse Herausforderung stellte sich dabei die Demontage der Kielbombe heraus. Dieser Routinevorgang war praktisch unmöglich, da die Befestigungsschrauben durch den Aufprall verbogen worden waren. Die bittere Erkenntnis aus der Komplexität der Reparaturen war, dass wir den Practice Race Day nicht mitsegeln konnten.
Das Shoreteam arbeitete stattdessen ohne Unterlass daran, Kielbombe und Ersatzkiel bereitzustellen und ins Boot einzupassen. Das Segelteam checkte die Yacht auf Schäden, ordnete die Segel und half, wo es konnte. Coach, Taktiker und Owner fuhren mit dem Motorboot ins Regattagebiet, um die Starts mitzuverfolgen, taktische Inputs zu erhalten und Wind und Strömungsverhältnisse zu analysieren. Am frühen Mittwochabend vor dem Eröffnungstag kam dann die gute Nachricht von unseren Jungs, die Tag und Nacht durchgearbeitet hatten: Die Yacht war bereit für den Einsatz am Donnerstagmorgen. Noch am Abend wurde das Boot zu Wasser gelassen, aber im Dock behalten, da noch nicht alle neu lackierten Stellen durchgehärtet waren.
Wettkampf, trotzdem
Für Guy Endean, unseren Grinder, war die Regatta aufgrund der beim Aufprall zugezogenen Verletzungen frühzeitig zu Ende. Mit Trystan Seal hatten wir das Glück, die Lücke an dieser wichtigen Position für diese Regatta erstklassig zu schliessen.
Für den Eröffnungstag wurden über 25 Knoten Wind vorausgesagt. Die Wettfahrtleitung entschied sich deshalb bereits am Morgen gegen einen Start.
Chris und Freddie aus unserem Shore Team waren über den unerwarteten Ruhetag besonders froh, hatten sie doch 36 Stunden durchgearbeitet, um Black Star einen pünktlichen Start zum Eröffnungstag zu ermöglichen. Nur schon deswegen waren wir fest entschlossen, unsererseits nur das Beste abzuliefern und damit ihren unermüdlichen Einsatz zu honorieren.
Mit einem dritten Platz im ersten Rennen sind wir am Freitag ansprechend in die endlich angelaufene Regatta gestartet. Leider konnten wir dann das Level nicht halten und klassierten uns Rennen für Rennen immer schlechter.
Am Samstag, dem dritten Tag, haben wir dann vollends versagt. Wir machten plötzlich kleine, für uns neue Fehler, wie wir sie nicht mal als Klassenneulinge gemacht hatten, die sich dann aber summierten und sich erbarmungslos in den Resultaten niederschlugen. Über sämtliche Rennen waren wir nie konzentriert genug, um uns wieder nach vorne zu kämpfen. Zu unserem Pech wurden ausgerechnet am Samstag vier Wettfahrten abgehalten, um den verpassten ersten Tag zu kompensieren.
Am Sonntag haben wir dann aber wieder gezeigt, was wir können und einen zweiten Platz geholt. Damit war unser Vertrauen wieder da.
Unser Fazit zum 44Cup Marstrand: Als Regatta zwar verpatzt, dafür ein Teambuilding-Event, das man so kaum planen könnte: absolut hart und sehr prägend. Jede und jeder weiss nun genaustens, was auf ihrer bzw. seiner Position zu tun ist, um erfolgreich zu segeln. Die paar wenigen Tage haben uns als Team zusammengeschweisst wie nichts zuvor und wir werden gestärkt daraus hervorgehen.
44Cup WM: Jetzt erst recht!
Was unsere Erwartungen in den 44Cup Marstrand betrifft, könnte man im Nachhinein auch sagen: «Eine schlechte Generalprobe bringt eine erfolgreiche Premiere.»
Eine absolute Premiere wird für uns die 44Cup Weltmeisterschaft auf dem Urnersee sein. Es ist eine absolute Ehre und eine grossartige Gelegenheit, in einer so eindrücklichen Sportart eine Weltmeisterschaft daheim, so quasi vor der Haustür, bestreiten zu dürfen.
Wir sind hochmotiviert, unseren Fans das Beste zu zeigen. Und wissen inzwischen auch genau, wie wenig es braucht, dass Über-Motivation die Form von Hektik erzeugt, die jeden Traum zum Scheitern bringt.
Wir freuen uns auf euren Support vor Ort.
Finde Fotos zur Regatta in unserer RC44 Bildergalerie.